Zukunft wird aus Mut gemacht. Eine kritische Programmdiskussion.

Vielen erscheint der GRÜNE Programmentwurf langweilig – machen wir was draus!

Erst am Montag, den 24.04., mit dem GRÜNEN Kreisverband Aschaffenburg-Stadt und dann am Freitag, den 28.04.17, mit dem Kreisverband Aschaffenburg-Land habe ich mich mit den GRÜNEN Mitgliedern meines Wahlkreises getroffen und über den Programmentwurf des Bundesvorstandes diskutiert. Wir haben gemeinsam einige Änderungsanträge ausgearbeitet, die auf der Bundesdelegiertenkonferenz vom 16.-18.06.2017 in Berlin wiederum diskutiert werden müssen bevor das endgültige GRÜNE Programm für die Bundestagswahl von den Delegierten beschlossen wird.

Eins ist klar. Diese Bundestagswahl wird für uns GRÜNE kein Zuckerschlecken. Während wir bei den letzten Bundestagswahlen 2013 noch am täglichen politischen Diskurs teilnehmen konnten und inhaltlich wegen beispielsweise eines Veggie Days angegriffen wurden, mühen wir uns heute ab, überhaupt in der täglichen Presse den Platz zu finden, den wir brauchen, um unsere politischen Konzepte präsentieren zu können. Uns wurde bei dieser Wahl von vorneherein das Image, langweilig zu sein, verpasst – und das werden wir gerade nicht mehr los. Wir scheinen überflüssig und hilflos. Genau wie unser Programmentwurf.

Aber der Schein trügt. Nie hat es uns GRÜNE mehr gebraucht. Nur weil viele Parteien nun auch ein Umweltkapitel einbauen, heißt das nicht, dass sich damit unsere Agenda in Luft aufgelöst hätte. Hätte es uns GRÜNE nicht gegeben, dann gäbe es heute weder Umweltkapitel bei den anderen Parteien, noch einen Atomausstieg, kein einziges Windrad, keinen Tierschutz und keine Gesamtschul- oder Ganztagskonzepte. Und wenn es uns GRÜNE nicht mehr gibt, dann wird es keinen Kohleausstieg geben, dann wird der Klimawandel und der tägliche Flächenfraß unserer Natur den Rest geben, immer mehr Arten werden aussterben, die Massentierhaltung bleibt wie sie ist und wenn Benzin und Diesel aufgebraucht sind, werden die Rufe nach guten Elektroautos, nach der notwendigen Infrastruktur, nach sicheren Radwegen und autofreien Innenstädten laut werden. Die Mieten werden immer weiter steigen, gleichzeitig werden immer mehr Menschen vom Land in die Stadt ziehen, weil sich niemand darum kümmert, auf dem Land für regelmäßige Busverbindungen, Car-Sharing Angebote oder ärztliche Versorgung zu sorgen – so wie sich in den vergangenen 12 Jahren niemand darum gekümmert hat!

Viele werfen uns vor, nicht die Themen zu bedienen, die heute wichtig seien. Mir ist schon klar, dass die große Politik in Berlin v.a. den Rahmen setzen soll, um die Grundfragen unseres Alltages zu befriedigen: wie gut wird mein Job bezahlt? Wie hoch ist meine Miete? Geht es meiner Familie gut? Kann ich sicher leben? Und man könnte jetzt einfach der Reihe nach einfache Antworten liefern wie es die anderen Parteien tun: Dein Job wird gut bezahlt, wenn Du nur hart genug arbeitest (CDU/CSU/FDP). Also Du bekommst zumindest mal den Mindestlohn (SPD). Der Wohnungsmarkt ist angespannt, da hast Du recht, da wissen wir aber gerade auch nichts, aber wir bauen jetzt ein bisschen und dann wird das wieder (CDU/CSU/SPD). Deiner Familie geht es prima, wenn Deine Frau daheim bleibt und sich um die Kinder kümmert (CDU/CSU/AfD). Es könnte besser sein (SPD). Deutschland ist überhaupt nicht sicher. Wir sind zwar eigentlich in der Bundesregierung, haben es aber irgendwie nicht geschafft, die Polizei gut auszustatten, den Verfassungsschutz und die Geheimdienste zu reformieren und wollen deshalb jetzt mehr Kameras überall, damit wir uns wenigstens hinterher angucken können, wer es war (CDU/CSU/SPD).

Was viele nicht bedenken: Auch wir GRÜNE beantworten genau diese Fragen und retten dabei noch die Umwelt Aber wir beantworten sie umfassend mit Konzepten, die Probleme langfristig und damit grundsätzlich beheben und damit Freiraum für poltische Gestaltung schaffen. Während die große Koalition immer nur um tagtägliche Schadensbegrenzung bemüht ist, denken wir voraus. Ich behaupte jetzt mal, wir GRÜNE sind diejenigen, die sich am meisten über ihre Forderungen und Konzepte streiten. Weil es uns wirklich um etwas geht. Weil wir die einzigen sind, die noch die gerechte, friedliche und offene Welt im Kopf haben.

Wir werden gute Jobs mit fairer Bezahlung schaffen. Das bedeutet für uns nicht, dass wir einfach mehr Gewerbegebiete schaffen und dafür täglich allein in Bayern 18 Fußballfelder Natur zubetonieren. Sondern dann bedeutet das für uns, dass Arbeit dort möglich sein muss, wo die Menschen sind. Wir brauchen mehr Mitspracherechte der Arbeitnehmer*innen darüber, wann, wieviel und von wo sie arbeiten. Wir werden sachgrundlose Befristungen abschaffen, wie sie gerade immer mehr junge Berufseinsteiger*innen betreffen, die sich von befristeter Stelle zu Zeitarbeitsvertrag retten müssen. Für uns hängt am guten Job auch die gute Rente. Während die große Koalition keinen Plan hat, wie dem demografischen Wandel und leeren Rentenkassen entgegengesteuert werden könnte, haben wir ein GRÜNES Rentenkonzept entwickelt, mit dem wir garantieren, dass alle Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, ohne Angst vor sozialem Abstieg oder Armut in Rente gehen und ihren Lebensstandard aufrecht erhalten können. Wir werden mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen Zum einen mehr sozialen Wohnungsbau, der in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen ist. Zum anderen werden wir aber auch weiterdenkende städtebauliche Konzepte umsetzen. Statt immer mehr Einfamilienhäuser mitten in Städten bauen zu lassen, werden wir allen gesellschaftlichen Gruppen ermöglichen, zentral in Städten wohnen zu können. Die Familie fördern wir, indem wir familienfreundliche Arbeitszeiten, KiTa-Plätze für alle, gut bezahlte und festangestellte Hebammen und ein Familiensplitting anstelle eines Ehegattensplittings auf den Weg bringen werden. Und nicht zuletzt indem wir mit dem Abschalten aller Kohlekraftwerke und dem Umstieg auf 100% Eneuerbare Energien bis 2030 das Klima und damit unsere Natur und unsere Wälder konsequent schützen, stehen wir für eine Welt ein, an der auch unsere Kinder noch ihre Freude haben werden. Den fairen Handel werden wir endlich zur Grundmaxime unserer Wirtschaftspolitik machen. Denn nur so können alle Menschen auf der Welt am Wohlstand teilhaben und müssen ihre Heimatländer nicht wegen Hunger und Armut verlassen. Und denjenigen, die wegen Krieg und Elend zu uns flüchten, bieten wir ausreichend Deutschkurse an und schaffen für sie Integrations- und Ausbildungsplätze anstelle von Abschiebegefängnissen. Wir schieben nicht nach Afghanistan ab, weil Afghanistan nicht sicher ist und sich an den Fluchtursachen nichts geändert hat. Und wir drohen auch keine Abschiebung an und verunsichern damit nicht alle Afghanen in unserem Land, die sich bereits integriert haben. Die Abschiebepolitik der großen Koalition dient nicht unserer Sicherheit, sie dient dem Populismus, sie erhöht das Risiko, dass sich eingelebte Afghanen radikalisieren und sie frustriert freiwillige Helfer*innen. Was wir brauchen ist Unterstützung bei uns, Überlebenshilfe vor Ort und eine Wirtschaftspolitik, die eine friedliche Welt befördert anstatt Waffen in alle Welt zu exportieren.

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt unseres umfassenden Wahlprogramms. Und es gibt viele umstrittene Punkte, über die wir auf unserer Bundesdelegiertenkonferenz in Berlin ausführlich diskutieren werden. Aber wir diskutieren nicht, ob schwarz oder weiß. Wir diskutieren, ob grün mit etwas mehr Visionen oder mit etwas mehr Pragmatismus. Wir diskutieren nicht, ob wir unsere Welt besser machen, sondern wie. Wer uns vorwirft, wir seien langweilig, hat den Programmentwurf falsch verstanden. Wir machen uns jeden Tag unglaublich viele Gedanken und streiten uns ums Detail. Es mag sein, dass es in unzähligen Detaildiskussionen so wirkt als würden wir uns nicht um die wichtigen Dinge kümmern. Aber doch genau das tun wir, indem wir heute schon darüber diskutieren, wie unsere Konzepte von morgen gut genug sind, um übermorgen allen Menschen auf dieser Erde ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen zu können.

Ich schätze an meiner Partei sehr, wieviel man als einzelnes Mitglied einbringen und mitgestalten kann. Und genau das tun wir, indem wir viele Änderungsanträge einbringen, um den Entwurf des Bundesvorstandes besser und progressiver zu machen.

Ich will mich als GRÜNER an all diejenigen richten, denen kurze einfache Antworten nicht ausreichen, sondern die auch mitdenken und ausführliche politische Konzepte wählen wollen. Lange Antworten haben nicht weniger Schlagkraft als kurze. Sie sind auch nicht langweiliger. Aber sie erfordern, gehört und durchdacht zu werden. Und genau das will ich im Wahlkampf schaffen mit der Idee einer gerechten und nachhaltigen Welt im Kopf. Also machen wir was aus dem Programm! Machen wir was draus!

Euer Niklas!

 

Der derzeitige Programmentwurf des Bundesvorstandes findet sich hier.