Essen ist kein Abfall – Vortrag in Würzburg!

Referent zu sein und vom Bahnhof abgeholt zu werden, ist tatsächlich noch eine vergleichsweise neue Erfahrung für mich gewesen. Referiert habe ich zwar schon viel, aber vom Bahnhof abgeholt hat man mich bisher noch nicht – mit dem Rad versteht sich. Die GRÜNE JUGEND Würzburg hatte mich am 27.04.17 für das Thema „Lebensmittelverschwendung beenden – Essen ist kein Abfall!“ eingeladen und es gab gleich erstmal Essen, gekocht aus containerten Lebensmitteln.

Wir beackern 30% unserer Felder für die Tonne!

Tatsache ist: Wir haben kein Produktionsproblem auf dieser Erde, wir haben ein Verteilungsproblem. Wir werfen weltweit Lebensmittel im Wert von 750 Milliarden US-Dollar weg und verschwenden damit eine Summe, die sechsmal höher ist als das, was die Weltgemeinschaft jährlich für Entwicklungshilfe bereitstellt. Die produzierten Lebensmittel würden ausreichen, um 12 Milliarden Menschen zu ernähren, tatsächlich hungern immer noch 800 Millionen weltweit. Alle drei Sekunden stirbt ein Mensch an Hunger. Eine absurde Realität.

Wir diskutieren über giftige Pflanzenschutzmittel und immer mehr Dünger auf den Feldern, die unser Grundwasser immer weiter vergiften und über deren Unvermeidbarkeit, da industrielle Landwirtschaft nunmal so funktioniere und unsere Landwirte sonst nicht auf dem Weltmarkt mithalten könnten. Mit ökologischer, nachhaltiger Landwirtschaft sei ja auch kein Blumentopf zu gewinnen. Aber hat schonmal jemand nachgefragt, was eine „wettbewerbsgerechte“ industrielle Landwirtschaft zur Folge hat und was das Mithalten mit dem Weltmarkt für uns bedeutet? Einen Überfluss an Lebensmitteln bedeutet es. Wir produzieren so viele Lebensmittel, dass ein Drittel davon im Müll landet. Das darf nicht sein! Es sterben Menschen an Hunger, wir vergiften und zerstören unsere Umwelt für Lebensmittel, die wir wegschmeißen? Nur damit bis zur letzten Minute alle Regale jedes Discounters bis oben hin gefüllt sind? Nur damit wir immer günstiger an das kommen, was wir dann im Überfluss kaufen, um es am Ende abgelaufen im Kühlschrank zu finden und zu entsorgen? Das muss ein Ende haben!

Was wir brauchen, ist eine ausschließlich ökologische Landwirtschaft. Sofort. Regionalität zu fairen Preisen ist der Schlüssel zum Erfolg. Unsere Wegwerfgesellschaft beruht darauf, dass wir es uns leisten können. Aber nur finanziell – denn menschlich und umwelttechnisch können wir uns das ganz und gar nicht leisten. 1950 wurden noch 50% des Haushaltsnettoeinkommens für Lebensmittel ausgegeben, heute sind es nur noch 9,5%. Damit einher geht eine stark sinkende Wertschätzung für Lebensmittel. Wir müssen wieder bereit sein, mehr für gute, ökologische und regionale Lebensmittel auszugeben. Und die Politik muss den Rahmen dafür setzen, wenn wir nicht länger zusehen wollen, wie Menschen verhungern und sterben, obwohl genug für alle da ist.

  1. Die Lebensmittelverschwendung beginnt bereits auf dem Acker. Obst und Gemüse, das aufgrund von Form, Größe oder Farbe nicht vermarktbar erscheint, wird aussortiert und unterpflügt, obwohl es sich um einwandfrei verwendbare Lebensmittel handelt – das darf nicht sein, auch nicht auf Biohöfen. Die Vermarktung muss sich dem Lebensmittel anpassen, nicht das Lebensmittel der Vermarktung!
  2. Lebensmittel, die beim Hersteller gelagert, aber nicht nachgefragt werden, werden ohne abgelaufen zu sein, entsorgt. Das muss verboten werden. Gute Lebensmittel müssen verteilt, nicht weggeschmissen werden. An soziale Einrichtungen, an Hilfsorganisationen und Vereine.
  3. Das Mindeshaltbarkeitsdatum ist kein Verfallsdatum. Deshalb dürfen abgelaufenen Produkte auch nicht wie verfallene Produkte behandelt werden. Die Hygienebestimmungen müssen so verändert werden, dass sie Discounter-Fillialen ermöglichen, Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum vergünstigt abzugeben und nicht wegzuwerfen. Warum sollte man millionenjahrealtes Salz wegwerfen? Oder Wasser?
  4. Allein die Plastikverpackungen von Lebensmitteln, die wir in Europa wegwerfen, vebrauchen so viel CO2 wie die gesamte Niederlande pro Jahr. Plastikverpackungen für Lebensmittel müssen dort abgeschafft werden, wo sie nicht unbedingt notwendig sind. Alternative Läden wie „Unverpackt“-Läden müssen besonders gefördert und staatlich unterstützt werden. Denn Plastik ist Müll.
  5. Nicht nur in den Industrienationen werden Lebensmittel verschwendet. Mangels Infrastruktur und Kühlmöglichkeiten werden auf den Märkten vieler Länder des globalen Südens große Teile der Lebensmittel zerstört, da sie nicht fachgemäß gelagert werden können. Deshalb muss die Weltgemeinschaft und auch Deutschland deutlich mehr Mittel bereitstellen, damit eine funktionsfähige Lebensmittelinfrastruktur aufgebaut werden kann. Wer so viel wegschmeißt, muss dort helfen, wo es gebraucht wird.
  6. Lebensmittel dürfen keine Spekulationsgüter sein. Es braucht einen globalen Verteilungsplan mit dem Ziel, dass niemand mehr auf dieser Erde hungern muss. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn durch internationale Lebensmittelspekulationen bestimmte Lebensmittel wie Getreide so teuer werden, dass sie sich die Menschen des globalen Südens nicht mehr leisten können. Das gehört verboten. Lebensmittel dienen wie der Name sagt dem Leben und nicht der Börse.
  7. Übrig bleibt am Ende: die ökologische Landwirtschaft. Diese zu fördern und zum Standard zu erheben, muss unser Ziel sein, wenn wir Lebensmittelverschwendung nachhaltig bekämpfen wollen. Denn nur flächendeckende kleinbäuerliche Strukturen können es schaffen, weltweit umweltschonend und bedarfsgerecht ausreichende Mengen an Lebensmitteln zu erzeugen, die dann direkt in der Region verbraucht und nicht mit viel CO2 durch die Lande geflogen und am Ende dann entsorgt werden.

Am Ende unserer Diskussion waren wir uns einig, dass wir heute eine europäische Agrarwende dringender brauchen denn je: Wir haben die Möglichkeiten dafür! Die Europäische Union stellt jedes Jahr 50 Milliarden Euro an Fördermitteln für die Landwirtschaft zur Verfügung. 80% davon gehen jedoch in die Förderung nach Größe in Hektar: D.h. die großen Betriebe mit vielen Hektar bekommen viele Gelder, die kleinen weniger. Entsprechend müssen wir endlich fördern, was wir wirklich fördern wollen: Nicht die großen, die auf konventionelle Landwirtschaft, Massenproduktion und Lebensmittelverschwendung setzen, sondern die kleinen mit ökologischer und nachhaltiger Produktionsweise erhalten mit einer GRÜNEN Agrarwende die Fördersummen. Damit bauen wir standhafte ökologische Produktionsstrukturen weiter aus und fördern gutes Essen zu fairen Preisen!