Agroforstforstwirtschaft im Bayerischen Landtag – Grüne Anträge werden abgelehnt.

München, 27.05.2020

„Schauen Sie doch mal auf Wikipedia.“ Ein Satz der CSU-Landtagsabgeordneten und ehemaligen Grundschulleiterin Tanja Schorer-Dremel, der bei der heutigen Debatte im Agrarausschuss des Bayerischen Landtages in Erinnerung blieb. 7 Anträge rund um das Thema Agroforstsysteme hatte die Grüne Fraktion Bayern um Gisela Sengl und Hans Urban in den Agrarausschuss eingebracht – allesamt wurden sie abgelehnt mit den Stimmen von CSU und Freien Wählern. Grüne, SPD und FDP stimmten dafür. Die AfD stimmte mal dafür und mal dagegen.

Die Grüne Fraktion Bayern hatte sieben Anträge gestellt, in denen umfassend dargelegt wird unter welchen Bedingungen und durch welche politischen Maßnahmen der Agroforstwirtschaft in Bayern zum Durchbruch verholfen werden kann. Von der Aktivierung der Förderfähigkeit von Agroforstsystemen als Agrarumwelt- und Klimamaßnahme (AUKM) im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms (KULAP), über die Aufnahme der Förderung von Agroforstsystem in den Rahmenplan der Gemeinsamen Agrarkonferenz der Bundesländer (GAK), bis hin zur Förderung von Wissenschaft & Forschungsprojekten, sowie die Aufnahme in die Lehrpläne an den Berufsschulen und grünen Studiengängen ist wirklich alles mit dabei, was man sich zur Etablierung von Agroforstsystemen in der Bayerischen Landwirtschaft wünschen kann. Sogar ein eigener Antrag zur Förderung von Weidetierhaltung in Agroforstsystemen ist mit dabei, es hätte also reichlich guten Diskussionsstoff im Landtag gegeben, aber es kam anders.


Es ist bedauerlich mit welch geringem Kenntnisstand sich die Abgeordneten der CSU heute an der Debatte über Agroforstsysteme beteiligten. Während die genannte Abgeordnete Schorer-Dremel dazu riet, einmal auf Wikipedia nachzulesen, dort stünde ja, dass Agroforstsysteme v.a. in den Tropen zur Anwendung kämen, das ginge ja so alles in Bayern nicht, machte es sich der stellv. Vorsitzende des Agrarausschusses, Martin Schöffel von der CSU, noch einfacher mit seinem plumpen Einwand: wer Bäume auf Acker pflanze, werde zur Bedrohung für die Bayerischen Waldbesitzer. Ja Agroforstsysteme seien gar „ein Schlag gegen die privaten Waldbesitzer“. Ach Du meine Güte.


Zunächst zu Frau Schorer-Dremel: die Agroforstwirtschaft ist in den Tropen sehr verbreitet, aber nicht nur dort: in Großbritannien, in Frankreich, in Spanien laufen seit Jahrzehnten erfolgreiche Agroforstsysteme, Grün mitregierte Länder wie Brandenburg fangen jetzt gerade an. Von der Feuchtigkeit, die durch die Bäume am Boden gehalten wird und dadurch in Zeiten der Klimakrise existenziell für ertragreichen Ackerbau wird, über die Steigerung der Biodiversität durch mehr Gehölze und damit Lebensräume auf den ausgeräumten Äckern, über die Bindung von CO2 und Nitraten in Holz und Boden, die Nutzung des Ertrages der Bäume als Streuobst oder Futterergänzung für das Vieh, die Schattenfunktion für die Weidehaltung, mehr Tierwohl, bis hin zur Nutzung des Holzes als Energieträger oder Wertholz bietet die Agroforstwirtschaft so viele Chancen: lasst es uns doch einmal ausprobieren und diejenigen fördern, die bereit sind, in Bayern mal anzufangen. Die Forschung und die Beratung sind bereit, um loszulegen, brauchen dabei aber mehr Unterstützung. Landwirte sind interessierter und offener denn je, brauchen aber Rechtssicherheit und finanzielle Förderung und gesellschaftliche Wertschätzung. Die Fördermittel in der EU stehen bereit, allein mangels gültigem Ländercode für Agroforstsysteme ist eine sichere Förderung in Bayern nicht möglich. Die Abgeordnete Schorer-Dremel hat als Vorsitzende ihres örtlichen Landschaftspflegeverbands behauptet, man könne Agroforstsysteme ja bereits ganz einfach beispielsweise über den Vertragsnaturschutz (VNP) fördern – ja, aber nur als geschütztes Landschaftselement, das man dann nie wieder antasten, fällen oder wirtschaftlich nutzen könnte. Da macht doch kein Landwirt mit, ausgerechnet von der CSU kommt so ein Vorschlag. Nein, es braucht Agroforstsysteme als eigenständigen Fördercode in Bayern – dann gibt es Rechtssicherheit, dann sind Landwirte bereit, mitzumachen. Und damit schadet man auch niemandem.

Wenn der Herr Abgeordnete Martin Schöffel von einem Schlag gegen die privaten Waldbesitzer spricht, weil die ihr Brennholz dann nicht mehr absetzen könnten: die Bayerischen Staatsforsten bewirtschaften nach dem nachhaltigen Konzept der Einzelstammnutzung – Ziel ist es, alte, artenreiche, klimaresiliente Mischwälder zu bewirtschaften, deren Wert- und Bauholz am Ende gute Erträge für nachhaltiges Wirtschaften erbringt und in der Möbelproduktion und im Baugewerbe zum Einsatz kommt. Der Wald ist in erster Linie eben kein Absatzmarkt für Brennholz; dafür sind Kurzumtriebsplantagen, als eine Form der Agroforstwirtschaft, viel besser und viel nachhaltiger. Genau das brauchen wir für die Produktion nachhaltiger Wärme – das ist kein Schlag gegen die Waldbesitzer.


Wir müssen wohl zunächst attestieren: was Agroforstsysteme wirklich sind, hatten wohl nur die Abgeordneten von Grünen, SPD und FDP verstanden. Hans Urban und Gisela Sengl haben breit die vielfältigen Vorteile von Agroforstsystemen ausgeführt und auch klar gemacht, dass es eigentlich keine Gründe gibt, warum nicht auf Landesebene der Weg freigemacht werden sollte, Agroforstsysteme in Bayern über KULAP und ELER zu fördern. Die Mittel der EU stehen längst bereit, in unseren Nachbarländern läuft die Agroforstwirtschaft auf Hochtouren, allein in Deutschland und im Freistaat will man sich nicht so richtig zum Traditionsmodell „Gehölze in der Landwirtschaft“ – angefangen bei der klassischen Streuobstwiese – bekennen. Was vielleicht auch daran liegt, dass man den bayerischen Landwirten vor gar nicht allzu langer Zeit noch 2.000 Mark je Hektar zahlte, wenn sie Gehölze von ihren Äckern und Weiden entfernten und damit zur Flurbereinigung beitrugen. Oder man hat es einfach nicht verstanden. Wahrscheinlich beides.


Teils seltsame Argumente wurden von der CSU ins Feld geführt. Die kleinteilige Agrarstruktur würde Agroforstsysteme in Bayern nicht zulassen, der Holzmarkt sei ja derzeit unvorhersehbar, mit Agroforstsystemen würde man mit anderen Förderprojekten konkurrieren und überhaupt – so der leitende Ministerialrat aus dem Landwirtschaftsministerium – sei ja die die aktuelle Förderperiode der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik der Europäischen Länder (GAP) kurz vor dem Ende (2023), da lohne es sich jetzt nicht mehr, entsprechende Anstrengungen für die Rahmenplanung der Gemeinsamen Agrarkonferenz der Bundesländer (GAK) zu unternehmen. Ja wann denn dann, wenn nicht jetzt bevor die neue GAP im Europäischen Parlament beschlossen wird? Jetzt müssen doch die Länder auf den Plan treten und dafür sorgen, dass in der neuen Förderperiode ausreichend Mittel für Agroforstsysteme zur Verfügung stehen. Sonst passiert wieder sieben Jahre nichts.


Und als dann gesagt wurde, man wisse ja viel zu wenig über Agroforstsysteme, man sei aber dran, wolle jetzt aber nicht dem Grünen Antrag auf Ausbau der Forschung und Lehre zustimmen, denkt man sich schon: ach Leute, Ihr wollts halt einfach nicht, weil es von den Grünen kommt. Dann sagt es doch auch. Man wolle die Lehre über Agroforstsysteme jetzt aktiver in eine Lehranstalt für Waldwirtschaft einbringen. Ja prima – ein landwirtschaftliches System dürfte dort ja hervorragend aufgehoben sein.


Es ist schade und enttäuschend wie wenig Aufmerksamkeit die Bayerische Staatsregierung und die zugehörigen Koalitionsfraktionen der Agroforstwirtschaft beimessen. Und es ist peinlich, wie schlecht ihr fachlicher Kenntnisstand zu diesem so wichtigen Thema ist. Die Freien Wähler haben sich kein einziges mal in dieser Debatte zu Wort gemeldet – Hauptsache dann dagegen gestimmt. Was soll man dazu sagen. Wieder eine Chance vertan.

Weitere Informationen findet Ihr hier:

https://www.gruene-fraktion-bayern.de/themen/landwirtschaft-und-ernaehrung/2020/baeume-auf-aecker-wiesen-und-weiden/?fbclid=IwAR1jsic7cDa45aXVaJQ2brx1-CuCRFOtmO9XNAOyJBu3bNjhCpt4MRQ40KE

https://www.sueddeutsche.de/bayern/gruenen-initiative-offensive-fuer-agroforstwirtschaft-1.4917077