Die jüngsten Meldungen über russische Drohnenüberflüge in Polen und Dänemark sowie Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets in Estland haben die Debatte über Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit der NATO erneut verschärft. Laut Einschätzungen des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius könnte Russland bereits 2029 bereit sein NATO-Territorium anzugreifen. Gleichzeitig befinde man sich aber auch schon jetzt in einer Situation in der Drohnenüberflüge, Cyberangriffe und Desinformation täglich dafür sorgen sollen, die liberalen Demokratien Europas zu desstabilisieren. Angesichts dessen stellt sich auch aus deutscher Perspektive die Frage: Wie können wir uns als Gesellschaft wappnen – militärisch, zivil und gesellschaftlich? Und welche Rolle spielen die Wehrpflicht und gesellschaftliches Engagement dabei? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung, zu der die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen unter der Moderation von Fraktionsvorsitzender Maria Krieger am 30. September ins Weiße Bräuhaus nach Kelheim eingeladen hatte.
Offener Austausch mit vielen Perspektiven
Die breite Beteiligung der Kelheimer Ortsverbände des Technischen Hilfswerks über das Bayerische Rote Kreuz hin zum Johanniterverband brachte die praxisnahe Perspektive des Zivilschutzes in die Diskussion ein. Zudem repräsentierten die Grüne Jugend Ostbayern und der Kreisjugendring die Sichtweisen junger Leute in der Diskussion um eine mögliche Wiedereinführung des Wehrdienstes oder möglicher Alternativmodelle. Zu Gast war außerdem der Bundestagsabgeordnete Niklas Wagener aus Aschaffenburg, der seit 2021 im Verteidigungsausschuss Verantwortung trägt. Dadurch entstand ein umfassendes Bild, das sowohl die sicherheitspolitische Dimension als auch die zivilgesellschaftliche Verantwortung beleuchtete.
Niklas Wagener plädierte für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr
Für ihn sei die Wehrpflicht nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen sprach er sich klar für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr aus. Junge Menschen aller Geschlechter sollten seiner Auffassung nach die Möglichkeit haben, einen Dienst für die Gesellschaft zu leisten – ob bei der Bundeswehr, im Zivilschutz, bei der Feuerwehr, in sozialen Einrichtungen oder im Klima- und Umweltschutz. Dabei sollten alle Dienste gleichberechtigt behandelt werden und das veraltete System der Wehrdienstverweigerung überholt werden. Besondere Betonung legte Niklas Wagener auf die Notwendigkeit die Stimmen der betroffenen Jugendlichen in die Gestaltung miteinzubeziehen. Yassin Domke, Sprecher der Grünen Jugend Regensburg, unterstützte den Ansatz der Verpflichtung für alle und lehnte den bisher verfolgten Ansatz der Freiwilligkeit ab. So würden alle in die Verantwortung gezogen, unabhängig von gesellschaftlichen und finanziellen Privilegien. Markus Hofer, Ortsbeauftragter des THW Kelheims plädierte dafür, dass in erster Linie nicht das Land den Gesellschaftsdienst brauche, sondern die Menschen, die in diesem Land leben, brauchten den Gesellschaftsdienst. Ein verpflichtender Gesellschaftsdienst präge den Charakter und mache „gute Menschen“, die den Herausforderungen dieser Zeit gewachsen seien. Zudem vertrat Christoph Kühnl, Kreisgeschäftsführer des Bayrischen Roten Kreuzes, die Auffassung, dass die Umsetzung eines Wehrdiensts auf regionaler Ebene organisiert werden müsse.
Im Verlaufe des Abends brachten auch Zuhörerinnen und Zuhörer ihre Bedenken und Vorschläge in Bezug auf die Themen Wehrpflicht und Generationengerechtigkeit ein und trugen damit zu einer konstruktiven Diskussionsatmosphäre bei.
Die Veranstaltung hat gezeigt: Die Herausforderungen in Fragen von Verteidigung und zivilgesellschaftlicher Sicherheit sind groß. Umso wichtiger ist es, offene Räume für Debatten zu schaffen, in denen unterschiedliche Perspektiven respektvoll gehört und besprochen werden können.