Zivile Krisenprävention

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Ich bin ordentliches Mitglied und Obmann der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen im Unterausschuss Vereinte Nationen, internationale Organisationen und zivile Krisenprävention. Dieser Unterausschuss des Auswärtigen Ausschusses ist mit der Prävention, Bewältigung und Nachsorge von Konflikten befasst und setzt sich für die Verzahnung von militärischen und zivilen Instrumenten der Sicherheits- und Entwicklungspolitik ein. Der Fokus meiner Tätigkeit liegt im Bereich der zivilen Krisenprävention.

Die Welt ist im Umbruch: Krisen und Konflikte prägen aktuell das Leben vieler Menschen in einem lange nicht mehr beobachteten Ausmaß. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung werden die oft transnationalen Auswirkungen auch hierzulande immer deutlicher spürbar. Krisenstaaten nachhaltig zu stabilisieren, ist aus diesem Grund immer auch im deutschen Interesse. Aufgrund der historischen Vergangenheit trägt die deutsche Politik dabei eine besondere Verantwortung für die Verhinderung von Krieg und Völkermord, sowie den Schutz von Minderheiten und Menschenrechten.

Gewaltfreiheit ist ein zentrales Ziel grüner Friedens- und Sicherheitspolitik. Alle Menschen haben ein Recht auf ein Leben in Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit. In Anerkennung einer von den Vereinten Nationen vertretenen Schutzveranwortung für die Zivilbevölkerung in Krisenregionen (Responsibility to Protect) können militärische Einsatzmaßnahmen zwar gewaltverhindernd oder gewalteindämmend wirken. Es muss jedoch klar sein, dass das Militär bestenfalls Friedensprozesse unterstützen und Zeitfenster für eine politische Krisenbewältigung schaffen kann, nicht aber den Frieden selbst. Jede Anwendung militärischer Gewalt ist daher als äußerstes Mittel (ultima ratio) zu erachten und ein Zeichen dafür, dass friedliche Streitbeilegung versagt hat. Konflikte zu erkennen und zu entschärfen, bevor sie eskalieren, steht für uns Grüne als Teil der Bundesregierung im Fokus einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik. Vorrang vor dem Einsatz militärischer Gewalt muss gemäß dem Grundsatz „do-no-harm“ die Eindämmung der vielfältigen Konfliktursachen durch zivile Krisenprävention und politische Konfliktberatung sein. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, lokale Akteure in Entscheidungsprozesse zur friedlichen Streitbeilegung und Friedensförderung miteinzubeziehen und auf lokale Gegebenheiten in der Krisenregion Rücksicht zu nehmen. Nur dann können Reformbemühungen, Aufbauhilfe oder Friedensarbeit erfolgreich verlaufen.

Da häufig vor allem Frauen und Mädchen in Konfliktgebieten einer besonderen Schutzbedürftigkeit unterliegen, erachten wir Grünen, entsprechend unseren Leitlinien für eine feministische Außenpolitik, die Förderung der Rechte, Ressourcen und Repräsentanz weiblicher Bevölkerungsgruppen als einen entscheidenden Schlüssel für das Entstehen egalitärer und friedlicher Gesellschaften. Zudem besitzt für uns der Schutz und die Wahrung der Rechte auch von LSBTIQ* eine hohe Priorität.

Der Erfolg einer an diesen Grundsätzen orientierten Friedenspolitik hängt entscheidend davon ab, dass Akteure aus unterschiedlichen Politikfeldern an einem Strang ziehen. Es bedarf einer kohärenten Politik, nach innen wie nach außen. Für eine zivile Handlungsfähigkeit müssen die finanziellen, personellen und strukturellen Voraussetzungen verbessert werden – etwa in den Bereichen Mediation, Rechtsstaatsförderung, Polizeiaufbau, Aussöhnung oder in friedens- und entwicklungspolitischen Projekten. Deutschland muss seine Rolle als Vermittler bei der Entschärfung internationaler Krisen weiter ausbauen und die Zusammenarbeit über Ressortgrenzen hinweg verbessern. Zudem müssen wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, schon heute über langfristige Ziele und geeignete Maßnahmen der zivilen Krisenprävention nachdenken, um im Bedarfsfall verlässlich und schnell Personal, Planungskapazitäten sowie andere materielle und immaterielle Ressourcen bereitstellen zu können. Gerade Friedensarbeit bedarf erprobter Strukturen und lebt vom langfristigen Vertrauensaufbau. Da Konflikte oftmals eine lange Vorgeschichte haben und es meist möglich ist, die Auslöser für Gewalt frühzeitig zu erkennen, benötigen wir auch ausreichende Analysekapazitäten, Regionalkompetenz, Wirkungsforschung, sowie einen intensivierten Wissenstransfers zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik. Wir Grünen wollen daher auch die Forschung und Evaluierung im Bereich der zivilen Krisenprävention weiter stärken.